Der UN-Sozialausschuss hat einen Rechtskommentar zum Zusammenhang von Sozialen Menschenrechten und einer nachhaltigen Entwicklung veröffentlicht (“General Comment Nr. 27 on economic, social and cultural rights and the environmental dimension of sustainable development”). Der Rechtskommentar befasst sich mit den negativen Auswirkungen von Umweltzerstörung auf das Recht auf Nahrung und ist daher für die Arbeit von FIAN relevant.
Die UN-Fachausschüsse veröffentlichen zur Auslegung der in den Menschenrechtsabkommen formulierten Artikel sogenannte General Comments (GC). Der UN-Sozialausschuss (CESCR) gibt darin Empfehlungen zu allen Fragen ab, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betreffen und denen die Vertragsstaaten Aufmerksamkeit widmen sollten. In General Comments werden auch weiter gefasste, übergreifende Themen behandelt, wie beispielsweise die Bedrohung von Menschenrechten durch die Klimakrise oder durch die Digitalisierung. Die General Comments sind rechtlich nicht bindend, stellen jedoch Auslegungshilfen des Ausschusses zu den Vertragsverpflichtungen der Staaten dar.
Der im September 2025 veröffentlichte GC Nr. 27 behandelt keinen speziellen Artikel des UN-Sozialpakts (ICESCR), sondern befasst sich vielmehr mit der Umweltdimension von nachhaltiger Entwicklung in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Landgerechtigkeit als Grundlage für Ernährungssicherheit
Die ungleiche Verteilung von Land, natürlichen Ressourcen und öffentlichen Gütern hat ihre Wurzeln in kolonialen Strukturen und trägt maßgeblich zu Armut, Hunger und Mangelernährung bei. Um diese Ungleichheiten zu überwinden, fordert der UN-Sozialausschuss, dass „bei der Bewältigung von Umweltkrisen und der Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung von Gleichstellung (…) die Vertragsstaaten den Zugang von Frauen zu Land und anderen für die Ernährungssicherheit und den Lebensunterhalt notwendigen Mitteln sowie deren Kontrolle und sicheren Besitz garantieren”.
Auch Kleinbäuer*innen, indigene Völker und Fischer*innen spielen eine wesentliche Rolle für nachhaltige Landnutzung und Ernährungssicherung. Der General Comment schreibt vor, dass „in Anerkennung des entscheidenden Beitrags von Bauern, Viehzüchtern und anderen Menschen in ländlichen Gebieten zur nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und Ökosysteme (…) die Vertragsstaaten deren traditionelles Wissen, ihre Innovationen und Praktiken schützen und fördern (müssen)”. Laut UN-Sozialausschuss braucht es hierfür „Maßnahmen zur Achtung, zum Schutz und zur Verwirklichung der Besitzsicherheit für alle legitimen Besitzrechte an Land, Fischgründen und Wäldern, insbesondere für Einzelpersonen, Gemeinschaften und Völker in prekären oder marginalisierten Situationen”. Wichtig dabei ist zudem, dass Projekte und die Zusammenarbeit auf Basis von freier, vorheriger und informierter Zustimmung (FPIC) mit Betroffenen durchgeführt werden.
Weg mit Kohlenstoffemissionen und Antibiotikamissbrauch
Staaten müssen nach Vorgabe des CESCR ökologische Landwirtschaft und agrarökologische Produktionsmethoden fördern. Gefordert wird auch der Schutz der Biodiversität und der natürlichen Ressourcen sowie der gleichzeitige Abbau von umweltschädlichen Subventionen oder Produktionsweisen.
Konkrete Forderungen des General Comments zur Sicherung des Rechts auf Nahrung beziehen sich auf „die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken, einschließlich – soweit angemessen – der Einführung agroökologischer Ansätze, um Kohlenstoffemissionen, den übermäßigen Einsatz von Antibiotika und die Abhängigkeit von intensiven industriellen Modellen zu reduzieren”.
Die lösungsorientierte Strategie: eine menschenrechtsbasierte Transformation der Ernährungssysteme. Um ökologische Stabilität und soziale Gerechtigkeit langfristig zu sichern, muss die Umgestaltung von Agrar- und Ernährungssystemen auf Gleichberechtigung, Teilhabe und Nachhaltigkeit beruhen. Laut dem UN-Sozialausschuss sind die Vertragsstaaten daher dazu verpflichtet, „eine Umgestaltung der Ernährungssysteme im Einklang mit den Menschenrechtsverpflichtungen zu fördern, die langfristige Tragfähigkeit der Produktion und Verteilung sicherzustellen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen, die Umweltverschmutzung zu verringern und die biologische Vielfalt durch deren Erhaltung und nachhaltige Nutzung zu schützen”.
Schutz vor Umweltzerstörung und wirtschaftlicher Ausbeutung
Ressourcenintensive Wirtschaftsweisen (z. B. fossile Energien, Bergbau und Abholzung) verursachen Umweltzerstörung und bedrohen damit die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte heutiger und künftiger Generationen. Daher ist eine staatliche Regulierung von Land- und Ressourcennutzung erforderlich, um Landraub oder negative Umweltfolgen von Großinvestitionen zu verhindern, die die Ernährungssouveränität und die Lebensgrundlagen von traditionellen Gemeinschaften zerstören.
Konkret bedeutet das für die Staaten eine Umgestaltung von solchen Subventionen und Politiken, die eine nachhaltige Landwirtschaft und Landnutzung nicht fördern. Die Staatspflicht liegt darin, rechtliche, politische und institutionelle Maßnahmen zu ergreifen, um Land- und Ernährungsrechte zu schützen. Auch der Zugang zu Gerichten und wirksamen Rechtsmitteln muss gewährleistet werden, genauso wie die Vermeidung von etwaigen Rückschritten („retrogressions“) im Umwelt- und Sozialschutz – zum Beispiel durch eine Schwächung von Umweltgesetzen. Der UN-Sozialausschuss stellt auch explizit fest, dass es „einen Rückschritt darstellt, wenn ein Staat Konsumgewohnheiten aufrechterhält oder fördert, die erhebliche Umweltschäden verursachen und damit die gerechte Verwirklichung von Rechten im Laufe der Zeit untergraben”.
Diese nationalen Pflichten gelten auch im internationalen Raum: Unter dem Begriff der extraterritorialen Verpflichtungen müssen Staaten sicherstellen, dass ihre Unternehmen oder Investitionen im Ausland keine Verletzungen und Verstöße verursachen.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Der Klimawandel beeinträchtigt bereits heute massiv die Rechte auf Nahrung, Wasser und Gesundheit – und in der Zukunft werden die Auswirkungen der Klimakrise und der Schutz der Umwelt eine immer größere Rolle für die Ernährungssicherheit spielen. Die Staaten sind dazu verpflichtet, eine ambitionierte Klimapolitik und Landnutzung zu betreiben, die die Rechte auf Nahrung, Wasser sowie eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt achten.
Um die im Pakt verankerten Rechte vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und Wiedergutmachung für die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu leisten, sind die Vertragsstaaten sowohl zu einer Verminderung von Treibhausgasemissionen als auch zu Anpassungsmaßnahmen verpflichtet.
Dabei greift der General Comment auch den UN-Zukunftspakt von 2024 („Pact for the Future“) auf: In seinen 56 Zielen betont der Pakt die Bewältigung aktuell globaler Herausforderungen unter dem Motto „Multilaterale Lösungen für ein besseres Morgen“. Grundlegend für die Umsetzung des Paktes ist vor allem die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Ein großes Thema des Paktes ist die nachhaltige Entwicklung und Entwicklungsfinanzierung. Welche Anpassungen und weiteren Anstrengungen der Staaten und der Vereinten Nationen sind nötig, um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 doch noch zu erreichen?
Auch wirft der General Comment die Frage nach der Finanzierbarkeit von Umweltmaßnahmen auf. Der UN-Sozialausschuss fordert hierfür eine Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung sowie die Stärkung von progressiven Steuersystemen. Hierbei müsse jedoch eine „zusätzliche Belastung benachteiligter Gruppen vermieden“ werden. Des Weiteren müsse eine Ermittlung und Priorisierung der „Bedürfnisse von Personen und Gruppen in prekären oder marginalisierten Situationen unter Berücksichtigung der Intersektionalität” erfolgen sowie eine Unterlassung von Handlungen, „die zu einer Diskriminierung dieser Generationen führen oder diese aufrechterhalten könnten”. Entwickelte Staaten sollen eine Vorreiterrolle bei den Klimaschutzbemühungen übernehmen und den Entwicklungsländern finanzielle Hilfe leisten, damit diese wirksamen Klimaschutz ergreifen können.
Einbindung von Betroffenen
Wie der General Comment 27 zeigt, ist das Recht auf Nahrung untrennbar mit einem sicheren, gerechten und nachhaltigen Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen verknüpft. Um das Recht zu verwirklichen, sind die Staaten nicht nur dazu verpflichtet, Landrechte zu schützen – insbesondere für Frauen, indigene und ländliche Gemeinschaften – sondern auch aktiv nachhaltige Agrarsysteme zu fördern und die derzeitige Umweltzerstörung und unfaire Ressourcennutzung zu beenden. Im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen müssen Staaten eine menschenrechtsbasierte Transformation der Ernährungssysteme sicherstellen, die auf einer Zusammenarbeit mit Betroffenen beruht.
Original Rechtskommentar auf Englisch hier: E/C.12/GC/27: General comment No. 27 (2025) on economic, social and cultural rights and the environmental dimension of sustainable development
von Lilly Meßner

