Ein Artikel von Roman Herre
Im Oktober hat FIAN eine umfangreiche Studie zur Fallarbeit in Sambia veröffentlicht. Darin werden gravierende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Voraus ging eine mehrjährige Recherche, in der FIAN auf umfangreiche Konflikte um Land und Wasser sowie auf Zwangsräumungen und die illegale Beschlagnahmung von Vieh stieß. FIAN sieht die Bundesregierung in der Pflicht, gegen Rechtsverstöße des Berliner Investors vorzugehen. Deren Handlungswille ist jedoch gering.
Amatheon ist über 14 Tochterfirmen in der Agrarwirtschaft von Sambia, Simbabwe und Uganda aktiv. Die mit Abstand größte Investition tätigte das Unternehmen in Sambia. Nach eigenen Angaben hat Amatheon dort seit 2012 rund 40.000 Hektar Land erworben und gilt damit als größter deutscher Agrarinvestor auf dem afrikanischen Kontinent. Seit 2014 hatte FIAN die deutsche Botschaft in Sambia regelmäßig auf gravierende Probleme hingewiesen. Auch über akute Bedrohungslagen von Bäuerinnen und Bauern haben wir verwiesen und auf ein entschlossenes Handeln gedrungen. Die vielfältigen Versuche, die Botschaft zu einer Reaktion gegenüber dem Investor zu bewegen und damit die extraterritorialen Menschenrechtspflichten Deutschlands umzusetzen, liefen leider weitgehend ins Leere. In der aktuellen, 40-seitigen Studie hat FIAN nun erstmals die gesammelten Informationen gebündelt und für die Öffentlichkeit dokumentiert. Dabei geht es besonders um Vertreibungen, den Verlust des Zugangs zu Wasser und die Beschlagnahmung von Vieh der lokalen Bäuer*innen durch Amatheon.

Gewaltsame Vertreibungen
Allein im Jahr 2024 wurden Räumungen von vier Dörfern dokumentiert. Davon betroffen waren insgesamt 151 Haushalte, was etwa 760 Personen entspricht. Ganze Dorfgemeinschaften verloren innerhalb kurzer Zeit ihr Zuhause und ihre Ernten. Da lediglich diese Dörfer von FIAN besucht und die Fälle dort dokumentiert wurden, während viele weitere Konfliktgebiete mit Räumungsandrohungen bekannt sind, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Laut lokalen Quellen könnten bis zu 11.000 Menschen in 19 Dörfern von Vertreibungen bedroht und betroffen sein. An einem der Orte, dem Dorf Apex am östlichen Rand der Amatheon-Aktivitäten, leben rund 40 Familien.
Diese berichteten FIAN, dass ihr Dorf innerhalb von neun Monaten drei Mal gewaltsam geräumt wurde. Dabei wurden Häuser zerstört oder niedergebrannt. Die Betroffenen berichteten übereinstimmend, dass bewaffnete Mitarbeiter der sambischen Wildtierbehörde ZAWA gemeinsam mit Amatheon-Personal mit Schlagstöcken an den Räumungen beteiligt waren. Beatrice Kalonga beschreibt: „Etwa acht Personen kamen früh am Morgen. Sie hatten Gewehre und Schlagstöcke. Und sie hatten Benzin dabei. Sie übergossen die Häuser mit Benzin und steckten sie in Brand.“ Ein weiterer Bauer erklärt: „Wir schlafen jetzt oft in den Büschen, weil wir Angst haben, dass sie wiederkommen.“ Auf Nachfrage wurde FIAN erklärt, dass den Dorfbewohne*innen keine gerichtlichen Anordnungen vorgelegt wurden, welche Grundlage jedweder Räumungen sein müssen. Auch erhielt niemand eine gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung oder Umsiedlung auf rechtlich gesichertes Ersatzland.
Über eine Recherche im sambischen Landregister wurde geprüft, ob Amatheon als Besitzer der Farmen eingetragen ist, welche die Firma beansprucht. Das erstaunliche Ergebnis: lediglich 18 Farmen mit einer Fläche von 8.700 Hektar Land konnten als Besitz von Amatheon identifiziert werden. Das sind weniger als ein Viertel der 38.760 Hektar, die das Unternehmen 2014 angab. Dennoch werden in großem Umfang Menschen von ihrem Land verdrängt – auch von Land, das Amatheon offenbar überhaupt nicht erworben hat.
Konflikte um Wasser
Ein weiteres zentrales Problem sind Konflikte um Wasser. Die beiden Flüsse Kapwashe und Kayande, die sich zum Kaluanyembe vereinigen, der dann in den Kafue mündet, bilden die Lebensader der Region. Sie sind für den Gemüseanbau, die Bewässerung von kleineren Maisfeldern (insbesondere während der Trockenzeit) sowie das Tränken der Tiere von zentraler Bedeutung. Seit dem Bau zweier Staudämme durch Amatheon für den Anbau in Monokulturen sind die Flüsse Kapwashe, Kayande und Kaluanyembe jedoch über weite Teile des Jahres ausgetrocknet. Für rund 5.000 Haushalte flussabwärts bedeutet dies, dass sie insbesondere während der Trockenzeit nur sehr eingeschränkten Zugang zu Wasser haben. Viele Familien mussten den Gemüseanbau entlang der Flüsse aufgeben. Eine zentrale Ernährungs- und Einkommensgrundlage ging verloren.


„Früher konnten wir das ganze Jahr über Gemüse anbauen, damit Geld verdienen und gutes Essen auf den Tisch bringen. Jetzt haben wir nicht mehr genug Einkommen, um die Schulgebühren für alle Kinder zu bezahlen. Wir essen nur noch zweimal am Tag“, erklärt Oidy Choongo, Bewohnerin eines Dorfes am Westrand der Agrarflächen von Amatheon. Ihr Gemüsegarten lag direkt am Fluss und wurde 2019 aktiv zerstört. Sie berichtet, dass die Tomatenpflanzen samt Wurzeln herausgerissen wurden. „Amatheon hat das Blattgemüse mit einem Unkrautvernichtungsmittel übergossen“, ergänzt sie. Zuletzt wurde trockenes Stroh verteilt und die Fläche in Brand gesetzt. Als FIAN 2024 die Stelle besuchte, fanden wir ein Stück Stacheldraht, das um ihr Gemüsefeld gespannt war und die Ziegen fernhalten sollte. Frau Choongo fordert jetzt: „Ich möchte für die Zerstörung meiner Gärten entschädigt werden.“
Tiere auf der Suche nach Wasser festgesetzt
Ein weiteres großes Problem der Gemeinden ist, dass Amatheon rechtswidrig Rinder und Ziegen beschlagnahmt, wenn diese sich auf dem vom Unternehmen beanspruchten Gelände aufhalten oder dieses passieren. Das geschieht häufig, wenn die Tiere auf der Suche nach Wasser sind. Und auch hier gilt: die Dunkelziffer ist sicherlich weit größer, da wir bei weitem nicht alle umliegenden Gemeinden besuchen konnten. Wir haben aber festgehalten, dass in mindestens vier Gemeinden über 40 Haushalte betroffen waren. Um ihre Tiere zurückzuerhalten, müssen die Bauern und Bäuerinnen 500 sambische Kwacha (etwa 17,50 Euro) pro Rind zahlen. Das entspricht fast einem Viertel des durchschnittlichen Monatseinkommens im ländlichen Sambia. Viele Familien berichten, dass sie andere Tiere verkaufen müssen, um die Gebühren aufzubringen. Und für viele Familien sind ihre Tiere eine wichtige Lebensgrundlage. Wenn sie konfisziert werden, verlieren sie nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihre Ernährungssicherheit. Das sambische Landwirtschaftsministerium bestätigte FIAN gegenüber, dass das Vorgehen von Amatheon rechtswidrig sei. Die Betroffenen fordern nun die Rückzahlung der Gebühren.
Ein Blick auf Deutschlands Rolle
Der sambische Staat ist für die Einhaltung der Rechte auf Nahrung, Wasser und Wohnen vor Ort primär verantwortlich. Die sambische Schwestersektion FIAN Zambia ist sehr engagiert dabei, diese Rolle des Staates einzufordern. Zudem trägt Amatheon Verantwortung für die massiven Menschenrechtsverletzungen und muss die Betroffenen für Vertreibungen, Ernteausfälle und zerstörtes Eigentum entschädigen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit in Sambia und Deutschland ist ein wichtiger Hebel für diese Forderungen.
Mehr noch, FIAN fordert, dass die deutsche Regierung ihren extraterritorialen Staatenpflichten nachkommt und Menschenrechtsverletzungen durch Amatheon umfassend untersucht. Sie muss wirksame Verwaltungs-, Untersuchungs- und Rechtsprechungsmaßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen auch im Ausland die Menschenrechte achten und für Verstöße konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Dies ist nicht zuletzt in Artikel 1 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst verankert. Demnach dient die Arbeit der Botschaften „der Wahrung der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte.“
Leider ist die Erfahrung zum Fall Amatheon eine andere. Insgesamt hat sich die Botschaft in den letzten Jahren zu einseitig auf die Argumente und Rhetorik des Investors verlassen. Als FIAN-Mitglieder 2023 die Botschaft in einer Briefaktion zum Handeln aufforderten, stellte die Botschaft ihre eigene Handlungsfähigkeit in Frage: „Ohne die erforderlichen personellen Kapazitäten können wir uns daher nur bedingt ein Bild von der Situation vor Ort machen.“ Aber noch im Sommer 2024, als der deutsche Gründer von Amatheon, Lars Windhorst, die Farm zusammen mit dem sambischen Präsidenten besuchte, erklärte der anwesende Vertreter der deutschen Botschaft: „Ich möchte Amatheon meine Dankbarkeit für soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit aussprechen.“
Die Studie „Amatheon in Sambia: Gewalt und Vertreibung durch einen deutschen Agrarinvestor“ steht hier zum Download zur Verfügung. Eine gedruckte Version kann bei der Geschäftsstelle bestellt werden. Die Erarbeitung der Studie wurde von Jan Urhahn, ehemaliger Büroleiter der Rosa Luxemburg Stiftung in Johannesburg, maßgeblich unterstützt.
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