Wenn Unternehmen von der Berichtspflicht zu Nachhaltigkeit befreit werden, geht das vor allem zu Lasten von Menschenrechten und Umweltschutz. Die Kolumne „Gastwirtschaft“.
Entbürokratisierung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Wirtschaftsunternehmen! So lautet die Forderung der Konzernlobby an die EU-Politik. Mit der sogenannten Omnibus-1-Richtlinie hat EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen dem nachgegeben und opfert dafür den Schutz von Menschenrechten und Umwelt.
Lieferkettengesetz wird aufgebauscht
Unternehmen sollen vor allem von Pflichten befreit werden, über ihre Nachhaltigkeitsstrategien zu berichten. Entgegen den Beteuerungen der Kommission fällt dadurch der Schutz von Menschenrechten unter den Tisch – vor allem durch die Schwächung des Lieferkettengesetzes. Dieses verpflichtet große Unternehmen dazu, Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsketten umzusetzen. Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen ermöglicht es europaweit zivilrechtliche Haftungsklagen.
Das Gesetz wird von den Gegnern zu einem „Bürokratiemonster“ aufgebauscht, das der Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsunternehmen schade. Die geforderten Maßnahmen verursachten zu hohe Kosten. Die Berichtspflicht sei zu umfangreich, die Analyse der gesamten Zulieferketten zu aufwändig, die verpflichtende Umsetzung von eigenen Klimaschutzplänen zu einengend, lamentieren die Unternehmen. Die schwarz-rote Bundesregierung bläst ins selbe Horn.
Diskussion über Lieferkettengesetz ist scheinheilig
Über 80 europäische Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verorten dagegen die Krise der Wettbewerbsfähigkeit in unzureichender Lohnpolitik, Umverteilung von Wohlfahrt von ärmeren zu reicheren Bevölkerungsgruppen, restriktiver Steuerpolitik, mangelnder Infrastruktur sowie einer Industriepolitik, die insbesondere die Entwicklung von Klimaschutz-Produkten hemmt.
Auch eine von der EU selbst beauftragte Studie nimmt der Unternehmenslobby und der Kommission den Wind aus den Segeln: nach ihren Berechnungen liegen die Kosten für die Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie nur bei etwa 0,009 Prozent der Unternehmensumsätze.
Die EU-Kommission und die Unternehmenslobby wollen also ihre eigenen Versäumnisse und strategischen Fehler auf dem Rücken der Ärmsten und der Umwelt kompensieren. Und die EU ebnet dazu den Weg. Scheinheiliger geht es kaum.