Heute und morgen finden in Düsseldorf die Preisverleihungen des kontrovers diskutierten Deutschen Nachhaltigkeitspreises statt. Der von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. vergebene Preis geht in der Kategorie „Vermögensverwaltung und Beteiligungsgesellschaften“ an die niederländische Genossenschaft Oikocredit.
Oikocredit steht seit Jahren in der Kritik, Sorgfaltspflichten bei Investitionen in den kambodschanischen Mikrofinanzsektor verletzt zu haben. So investierte Oikocredit zwischen 2017 und 2022 weiter in kambodschanische Mikrofinanzinstitute (MFIs), obwohl die weitverbreitete Überschuldung und schwerwiegenden menschenrechtlichen Risiken mindestens seit 2017 bekannt waren.
Von Oikocredit finanzierten MFIs wird verantwortungslose Kreditvergabepraxis vorgeworfen: Die MFIs vergaben Kredite, ohne die Rückzahlungsfähigkeit der Menschen zu prüfen. Stattdessen wurden die Kredite an Landtitel geknüpft, was eine enorme Kredithöhe relativ zum Einkommen mit sich zog. Kambodschanische Kreditnehmer*innen berichten von extremem Druck, der zu Landverkäufen, Kinderarbeit, ungewollter Migration, Sparen bei Lebensmitteln bis hin zu schuldenbedingten Suiziden führte.
Die Menschenrechtsorganisation FIAN hat im Jahr 2022 gemeinsam mit den kambodschanischen Partnern LICADHO und Equitable Cambodia eine Beschwerde gegen Oikocredit bei der niederländischen OECD-Kontaktstelle eingelegt. Oikocredit hat sich inzwischen aus dem Großteil der Investitionen in Kambodscha zurückgezogen. Jedoch versäumte es Oikocredit, die Verbindung zu den MFIs zu nutzen, um Wiedergutmachung in Form von Schuldenerlassung und Landrückgaben zu leisten.
Im Januar 2025 endete eine Mediation zwischen den NGOs und Oikocredit ohne Einigung. Betroffene fordern weiterhin Wiedergutmachung und Schuldenerlasse. Oikocredit versprach in einer Erklärung zum Ende der Mediation einen unabhängigen Mediationsmechanismus sowie Hilfsangebote. „Ein solcher Mechanismus wird dringend benötigt. Die Erklärung enthält jedoch keinerlei konkrete Zusagen – zum Beispiel darüber, wieviel Geld bereitgestellt wird und wann der Mechanismus in Kraft treten soll. Ohne konkrete Vorhaben und Umsetzung bleiben die Ankündigungen von Oikocredit leere Versprechen“, kritisiert Insa Heinke, Südostasien-Referentin bei FIAN.
FIAN hat die zuständigen Jury-Mitglieder des Deutschen Nachhaltigkeitspreises nach Bekanntgabe der Nominierungen im August auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in Kambodscha aufmerksam gemacht. Hierauf erfolgte keine Antwort.
Belege für die Überschuldungs- und Menschenrechtskrise in Kambodscha gibt es hingegen in großer Zahl. Die Situation für Kreditnehmer*innen hat sich derweil nicht gebessert. FIAN unterstützt ihre Forderungen nach Verantwortungsübernahme der internationalen Investoren.
Kontakt
Insa Heinke, Referentin für Südostasien bei FIAN Deutschland: i.heinke@fian.de
Weiterführende Informationen
FIAN 2025: Pressemitteilung: Oikocredit: Mediation über Menschenrechtsverletzungen im kambodschanischen Mikrofinanzsektor ohne Einigung.
Sophia Cramer 2025: Briefing: Einordung der Vergabe des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2025 an Oikocredit.
Sophia Cramer 2022: Mikrokredite als Schuldenfalle? Kontroversen, empirische Befunde und aktuelle Entwicklungen. Wissenschaft und Frieden 2022/4, S. 19-23.

