Dr. Ana María Suárez Franco ist seit Anfang des Jahres Generalsekretärin von FIAN International. Sie ist Juristin und arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten bei FIAN, zuletzt als ständige Vertreterin bei den Vereinten Nationen in Genf. Ana María folgt auf Sofía Monsalve, die in ihrer langen Amtszeit neue Themen wie Klimawandel, Digitalisierung, Finanzialisierung oder Care-Arbeit bei FIAN eingebracht hat. Beide stammen aus Kolumbien.
Ana, worin siehst Du Deine Rolle als neue FIAN-Generalsekretärin?
In den vergangenen 23 Jahren habe ich viel von Bäuer*innen, indigenen Völkern, Fischer*innen, politischen Entscheidungsträger*innen und anderen gelernt. Diese Erfahrung möchte ich nutzen, um FIAN im Einsatz für das Recht auf Nahrung nach dem Vorbild meiner Vorgängerin strategisch zu führen. Dazu gehört, dass wir falsche Lösungen bei der Transformation von Ernährungssystemen aufdecken und Alternativen wie Agrarökologie und Ernährungssouveränität stärken.
In unseren unsicheren Zeiten besteht meine Aufgabe auch darin, mit FIAN eine kritische Masse zu schaffen, die Widerstand leistet, Fehler anprangert, Alternativen aufzeigt und kollektive Interessenvertretungen stärkt. Mein Ziel ist es außerdem, Betroffene von systemischen Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen – durch unsere Fallarbeit und mit vertieften Beziehungen zu sozialen Bewegungen, insbesondere zu jungen Menschen.

Staffelwechsel: Sofía (l.) und Ana María (r.)
Wo liegen dabei die größten Herausforderungen?
Inmitten der zahlreichen globalen Krisen – Klimawandel, Umweltverschmutzung, Verlust der biologischen Vielfalt, Kriege, Drogenhandel –, welche Hunger, Armut und Ungleichheit verschärfen, stehen wir vor einer zusätzlichen Herausforderung: dem Aufstieg autoritärer Regierungen. Diese attackieren öffentliche Institutionen, stellen Profite über Menschen und polarisieren die Gesellschaft. Dies bedroht den in der UN-Charta verankerten Nachkriegskonsens, der Frieden, Menschenrechte und sozialen Fortschritt in den Mittelpunkt stellte. Auch wird die Entwicklung hin zu fairen, gesunden und nachhaltigen Ernährungssystemen gebremst.
Was kann FIAN hierbei denn bewirken?
Seit fast 40 Jahren setzt sich FIAN dafür ein, Unterdrückung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure zu bekämpfen und Machtungleichgewichte zu beseitigen. Von anderen Organisationen unterscheidet sich FIAN dabei durch die Fallarbeit – wir setzen uns gemeinsam mit Betroffenen für ihr Recht auf Nahrung ein und schlagen dadurch eine Brücke zwischen lokalen Konflikten und globaler Politik.
Auch stärken wir die Bewegung für das Recht auf Nahrung, indem wir verschiedene Gruppen über Regionen und Themen hinweg verbinden und zugleich Solidarität und kollektive Macht fördern. Dies ist entscheidend, um Veränderungen voranzutreiben – insbesondere unter autoritären Regierungen, wie unsere Partnergruppen immer wieder bezeugen. Die Arbeit in einem so vielfältigen Ökosystem erfordert dabei Offenheit, um von allen Akteur*innen zu lernen, sowie eine kritische Analyse von Mainstream-Lösungen.
Obwohl unsere Vermittlungsarbeit oftmals nicht sichtbar ist, trägt sie wesentlich dazu bei, Brücken zu bauen und kollektives Handeln zu stärken. Unsere Hartnäckigkeit, unsere Fähigkeit zur Kooperation, unsere Kreativität und das Engagement jedes einzelnen FIAN-Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin sind dabei von unschätzbarem Wert.
Wie optimistisch bist Du angesichts des gegenwärtigen politischen Klimas?
Trotz der Herausforderungen gibt es doch viel zu feiern. Der 20. Jahrestag der UN-Leitlinien für das Recht auf Nahrung hat viele Fortschritte aufgezeigt: FIAN Kolumbien erreichte eine verfassungsrechtliche Anerkennung des Rechts auf Nahrung. Bäuer*innen in Ecuador gewannen bahnbrechende Prozesse zum Recht auf Land. In Uganda nimmt die militärische Gewalt gegen Fischer*innen nach Jahren intensiver Lobbyarbeit spürbar ab. Und auch unsere Anstrengungen mit zahlreichen Verbündeten zur Stärkung der Rechenschaftspflicht von Unternehmen zeigen Wirkung.
Zudem glaube ich, dass die Fortschritte bei der Anerkennung der Rechte künftiger Generationen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Umweltkrisen bieten. Unsere Arbeit im Bereich „Food Care“ macht Zusammenhänge zwischen Ernährungssicherheit, Geschlechtergerechtigkeit und dem Abbau patriarchaler Strukturen sichtbar, die Frauen und LGBTIQ+ Personen benachteiligen.
Diese Schritte mögen klein sein, doch sie stellen bedeutende Fortschritte dar. Sie in Solidarität zu gehen, bringt uns einer Welt näher, in der Ernährungssysteme den Menschen und dem Planeten Vorrang vor Unternehmensinteressen einräumen.