FIAN Guatemala im Interview über den Aufbau der Sektion, Herausforderungen bei der Umsetzung des Rechts auf Nahrung und die Bedeutung von internationaler Kooperation.
Wie und wann wurde FIAN Guatemala gegründet?
Im Jahr 2007 wurde das Colectivo Social por el Derecho a la Alimentación (CSDA) gegründet, ein Zusammenschluss von sozialen Organisationen und Expert*innen für das Recht auf Nahrung, die an der Einrichtung des Nationalen Systems für Ernährungssicherheit und Ernährung (SINASAN) mitgearbeitet haben. Mit Unterstützung von FIAN International hat das CSDA Forschungs- und Ausbildungsprozesse für Organisationen durchgeführt. Im Jahr 2013 begann FIAN dann, sich in Guatemala zu etablieren.
Wie setzt sich FIAN Guatemala zusammen und wie sieht euer Arbeitsansatz aus? Mit wem arbeitet ihr zusammen?
Die aktuelle Gruppe umfasst 12 Personen aus verschiedenen Disziplinen. Der wichtigste Beitrag ist die Förderung eines ganzheitlichen Ansatzes für die Ernährungsproblematik – durch die Begleitung von Verfahren zur Durchsetzung sozialer Rechte bei Menschenrechtsverletzungen, die Überwachung von Politiken und den Aufbau von Kapazitäten zum Recht auf Nahrung.
Hierfür bauen wir Allianzen mit sozialen Organisationen, insbesondere der historischen Bäuer*innenbewegung, Indigenen, der Landfrauenbewegung, Initiativen zum Schutz von Ressourcen sowie mit der Menschenrechtsbewegung im Allgemeinen. Derzeit kooperieren wir mit Bündnissen wie dem CSDA, der Kampagne „Guatemala ohne Hunger“ sowie den guatemaltekischen Allianzen zur Umsetzung des Escazú-Abkommens, zur Überprüfung der Menschenrechtslage (Coalición EPU) und für ländliche Entwicklung zusammen. Die Bewegung der Gemeinden zur Verteidigung des Wassers Q´ana Choch´ haben wir bei der Entwicklung ihres auf politische Einflussnahme ausgerichteten Strategieplans unterstützt.

Welche Beziehung pflegt Ihr zu FIAN Deutschland?
Seit Beginn der Zusammenarbeit mit FIAN Deutschland sind die Aktivitäten der Gruppe in Guatemala sichtbarer geworden. Es gab die Möglichkeit, politische Einflussnahme auszuüben, sich in internationalen Gremien zu engagieren und Fortschritte bei der rechtlichen Gründung als FIAN-Sektion zu erzielen. Die Beziehung zwischen beiden Organisationen ist fruchtbar und hat zu Fortschritten bei der Verteidigung der Menschenrechte geführt.
Guatemala hat einen starken Rechtsrahmen für das Recht auf Nahrung – wo liegen die Probleme?
Guatemala ist nach wie vor das Land mit der höchsten Zahl an Menschen mit chronischer Unterernährung auf dem Kontinent. Es gibt mehrere Faktoren, die das Ernährungssystem schwächen: Die Öffnung des Handels hat die nationale Lebensmittelproduktion geschwächt. Die Einführung von Exportkulturen, für die keine landwirtschaftlichen Arbeitskräfte benötigt werden, hat Familien aus dem ländlichen Raum verdrängt und die marginalisierte Bevölkerung in den Städten vergrößert.
Korruption und die Vereinnahmung von Institutionen bestimmen die politische Agenda Guatemalas. Wie wirkt sich dies auf das Recht auf Nahrung aus?
Es hat sich eine Reihe von Gruppen etabliert, die mit Unternehmen verbunden sind und korrupte Praktiken an den Tag legen. Unter anderem wurde der Kauf von Lebensmitteln minderer Qualität und die Vergabe von Ernährungsdienstleistungen dokumentiert, die entweder nicht erbracht werden oder nicht den Mindestanforderungen entsprechen. Die Unterstützung für ländliche Gemeinden wurde an die Abgabe von Stimmen oder die Mitgliedschaft in Parteien geknüpft. Darüber hinaus ist es Rohstoffunternehmen und politischen Parteien gelungen, das System der städtischen und ländlichen Entwicklungsräte, das soziale Forderungen an den Staat weiterleitet, zu kontrollieren, um ihre Interessen zu fördern.
Welche Rolle sollten Länder wie Deutschland spielen?
Die internationale Zusammenarbeit hat diejenigen Bereiche unterstützt, die von den Regierungen vernachlässigt werden. Obwohl es dadurch gelungen ist, sehr wichtige Hilfen zu generieren, konnten keine spürbaren Veränderungen bei strukturellen Problemen wie Armut und Gewalt erreicht werden. Wir sind der Meinung, dass die Rolle der internationalen Zusammenarbeit an die Umsetzung seriöser und gut strukturierter Pläne geknüpft sein sollte.
Welche Botschaft möchtet Ihr von FIAN Guatemala an die Leser*innen unseres Magazins senden?
Die Pläne der US-Regierung, Millionen guatemaltekische Migrant*innen auszuweisen, dürften Armut und soziale Ausgrenzung weiter verschärfen. Die nächsten Jahre sind entscheidend, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu adressieren. Deshalb wollen wir die politischen Debatten zum Recht auf Nahrung in Guatemala aktiv mitgestalten. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die uns FIAN Deutschland im Kampf gegen den Hunger in unserem Land gewährt.
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