In Sambia sichert die Landwirtschaft für über die Hälfte der Bevölkerung Einkommen und Ernährung. Trotz hohem wirtschaftlichem Potenzial belegt Sambia 2022 im Welthunger-Index Platz 108 von 121 Ländern. Die Hungersituation wird als ernst eingeordnet.
Für die Hunger- und Armutsbekämpfung sind der Zugang zu Land und Wasser ein zentrales Thema.
Riesige Agrarinvestitionen konkurrieren um diese Lebensgrundlangen, wie anhand des Beispiels des Berliner Unternehmens Amatheon Agri deutlich wird. FIAN untersucht die Auswirkungen des Investors auf die lokale Bevölkerung. Diese berichtet von Konflikten um Land und Wasser, von prekären Arbeitsbedingungen und vielen gebrochenen Versprechen.
LAND IN SAMBIA
Um die jetzige Situation zu verstehen, ist ein Überblick über das sambische Landrechtssystem und dessen Geschichte nötig. Wie kann eine deutsche Firma im Ausland 40.000 Hektar Land – fast die Größe des Bodensees – aufkaufen und Menschen zwangsumsiedeln?
Land stand bis in die frühen 2000er Jahre fast vollständig unter traditioneller Verwaltung. Lokale Gemeinschaften konnten über die Nutzung verfügen. Gleichzeitig ist alles Land formell im Staatsbesitz, mit dem Präsidenten als Treuhänder. In der Kolonialzeit wurden aus diesem Land riesige „Farm Blocks“ rausgeschnitten, um Land an Unterstützer*innen und Mitglieder der Kolonialregierung zu verteilen. Ab 1995 erleichterte ein neues Landgesetz privaten Akteur*innen, Land für 99 Jahre zu pachten. Dieses Gesetz beinhaltete das Versprechen, dass auch Kleinbäuer*innen ihr Land registrieren lassen können.
Die Kosten der Registrierung sind jedoch hoch, ebenso die bürokratischen, sozialen und geographischen Hürden. So waren es einzig große Investoren aus dem In- und Ausland, die Landrechte auf Grundlage des Landgesetzes erworben haben.
Ihre Farm Blocks liegen entlang der wichtigsten Infrastruktur-Korridore und in den besten Anbaugebieten, von denen viele von lokalen Gemeinschaften genutzt werden. Dies führte zu einer Verschiebung des Ackerlandes: Aus den Händen der lokalen Gemeinschaften hin zum Besitz kommerzieller Großbetriebe, wie auch Amatheon Agri.
AMATHEON AGRI
>> WORÜBER SIE REDEN UND WORÜBER SIE SCHWEIGEN
Amatheon Agri wurde 2011 gegründet. Laut eigenen Angaben hat das Berliner Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren rund 100 Millionen Euro investiert, um in Sambia, Uganda und Simbabwe eine nachhaltige Wertschöpfungskette für Agrarrohstoffe, Lebensmittel und Rindfleisch aufzubauen. Der Kern: Ankerfarmen und Verarbeitungsbetriebe mit rund 800 Mitarbeitern auf eigenen Agrarflächen und die Zusammenarbeit mit mehr als 4.000 Kleinbauern in den Regionen.“
In Sambia besitzt Amatheon etwa 40.000 Hektar Land – genaue Daten veröffentlicht das Unternehmen nicht. Dies ist die größte deutsche Agrarinvestition in Afrika. Amatheon betreibt dort Viehzucht und baut in Monokulturen Soja und Mais an, ebenso »Superfoods« wie Quinoa. Auch nach Europa soll exportiert werden.
Das hauseigene Outgrower-Programm soll Kleinbäuer*innen Fachwissen vermitteln und neben einem Zugang zu Betriebsmitteln auch Kredite verschaffen. Die Rede ist auch von kostenlosen Schulungen für den Anbau.
Das Prinzip des Vertragsanbaus soll die Nachhaltigkeit des Programms sichern.
Doch wie sieht die Zusammenarbeit vor Ort wirklich aus? Wie hat sich das Leben der Menschen vor Ort durch die Anwesenheit von Amatheon verändert? Die Realität, die FIAN vor Ort vorgefunden hat, hat wenig mit den Aussagen der Firma gemein.
LEBEN WIE AUSGESPERRT
„Know-how, Kapital, Infrastruktur und Zugang zum Weltmarkt“ – klingt erst einmal gut. Doch wer gewinnt hier wirklich? Lokale Gemeinden, die FIAN getroffen hat, sehen sich als alles andere als die Profiteure der Investitionen von Amatheon. Im Frühjahr 2022 hat FIAN mehrere Gemeinden vor Ort besucht und folgende Berichte erhalten:
Familien, die auf dem heutigen Amatheon-Land angesiedelt waren, mussten gehen. Menschen wurden zwangsumgesiedelt und Siedlungen zusammengelegt, um Land für Amatheon freizuräumen. Einzelne Personen berichteten FIAN von bewaffneten Drohungen, damit sie ihr Land verlassen. Mehrere Siedlungen sind heute vollständig von den Ländereien des Investors umzingelt. Weder das traditionelle Sammeln von Wildkräutern noch das Suchen von natürlichen Materialien zur Reparatur von Häusern sei ihnen erlaubt. Den früheren Weg zur Landstraße und zur Stadt Mumbwa dürfen die Bewohner*innen heute nicht mehr nehmen. Der Umweg ist mehrere Kilometer lang.
Eine öffentliche Straße wurde mit einem Checkpoint mit Sicherheitskräften von Amatheon versehen. Bewohner*innen berichteten FIAN, dass sie sich rechtfertigen müssen, um zu Verwandten oder der Krankenstation durchgelassen zu werden. Manchmal werde der Durchgang auch versagt. Durch die zwei Dämme, die Amatheon für die Bewässerung der Monokulturen gebaut hat, fehlt vielen hundert Familien flussabwärts gerade in der Trockenzeit Wasser für den Gemüseanbau und die Tierhaltung.
Vor Ort entsteht zwar eine kleine Zahl an Arbeitsplätzen – extrem wenige jedoch für die riesige Fläche, die Amatheon beansprucht. FIAN wird aber auch berichtet, dass gerade die Saisonarbeiter extrem schlecht bezahlt werden und im Fall von Arbeitsunfällen kein Versicherungsschutz vorhanden ist. Umgerechnet 35 Euro monatlich zahlt Amatheon für Arbeitstage, die bis zu zehn Stunden dauern. Essen und Unterkunft werden noch abgezogen. Die Arbeitsbedingungen seien derart schlecht, dass die lokale Bevölkerung kaum mehr für Amatheon arbeiten will. Die Firma muss daher Arbeitskräfte aus weiter entfernten Dörfern rekrutieren.
FIAN VERSUCHT ZU VERMITTELN
Trotz der schwierigen Situation betonen die Menschen, dass es ihnen nicht darum geht, dass Amatheon verschwindet. Sie wollen aber ein Verhältnis auf Augenhöhe, ein Ende der Ausbeutung und Schutz der Arbeitenden.
2014 suchte die sambische Landarbeitergewerkschaft das Gespräch mit Amatheon, und Tarifverhandlungen fanden statt. Trotz schriftlichem Abkommen verweigerte die Firma dann jedoch die Zusammenarbeit. Gleichzeitig hebt das Unternehmen die Gewerkschaft in ihren Jahresberichten positiv hervor.
Amatheon blieb einem von FIAN vermittelten Treffen mit mehreren Gemeinden unter Anwesenheit vom Distriktvorsteher, der Arbeitsaufsicht, Anwälten und Journalisten fern. Immer wieder versuchen Betroffene, aktuelle Probleme durch Absprachen zu lösen – und treffen dabei selten auf Bereitschaft und Verbindlichkeit.
Die Ergebnisse der Recherche von April 2022 hat FIAN mit der sambischen Menschenrechtskommission, Regierungsstellen und der deutschen Botschaft diskutiert. FIAN unterstützt auch weiterhin Gespräche mit der Firma und der Botschaft und ermöglicht dafür unter anderem die Fahrten der Betroffenen in die Hauptstadt Lusaka. Ende 2022 stellt FIAN die Probleme beim UN-Menschenrechtsrat in Genf vor.
Aktuell: Ende des Jahres haben sich FIAN-Mitglieder bei dem Investor in Berlin gemeldet und sich für einen besseren Umgang mit der Landbevölkerung eingesetzt. Am 12. Dezember hat Amatheon FIAN eine Rückmeldung zu dieser Bitte an uns weitergeleitet.
„FIAN hat in Abstimmung mit den Betroffenen im März eine Brief- und Unterschriftenaktion gestartet. Die deutsche Botschaft, einer der Adressaten der Aktion, hat darauf geantwortet. Einige der Antworten wurden uns zugeschickt. Wir haben die Antworten hier bewertet.“
FIAN fordert, die Rechte der Landbevölkerung und die Situation der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen. In Sambia leiden 51 Prozent der Bevölkerung unter Hunger. Groß-Investitionen eignen sich nicht, um dieses Problem zu lösen! Die Rechte der Betroffenen auf Land, Wasser und Nahrung müssen gestärkt werden.
Dank Ihrer Hilfe können wir die Menschen vor Ort unterstützen sich für ihre Rechte auf Land und Nahrung einzusetzen.
So können Sie das Recht auf Nahrung stärken:
- Mit Ihrer Spende
- Aktiv werden bei FIAN
- Mit einer Mitgliedschaft bei FIAN
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